Zeit, die es braucht

Ge­schich­te und Legende

Zeit, die es braucht

…für die Geschichte

Die im 11./12. Jahr­hun­dert spür­ba­re Be­we­gung für ei­ne ver­tief­te evan­ge­li­sche und apo­sto­li­sche Le­bens­wei­se hat we­sent­lich zum Auf­kom­men des Zi­ster­zi­en­ser­or­dens bei­getra­gen. In vor­wie­gend un­be­sie­del­ten Ge­gen­den ent­stan­den Hun­der­te von Klö­stern, wo Ge­bet, Hand­ar­beit und Ar­mut ge­pflegt wur­den. Es ist do­ku­men­ta­risch be­legt, dass sich ein paar Brü­der des Zi­ster­zi­en­ser­klo­sters Sankt Ur­ban im Jahr 1344 auf dem ab­ge­le­ge­nen Ort Hei­lig­kreuz im Ent­le­buch nie­der­lies­sen. Die­ses ei­gen­ar­ti­ge re­li­giö­se Phä­no­men ent­spricht der da­ma­li­gen my­sti­schen Fröm­mig­keit, wie es uns von Bru­der Klaus be­kannt ist.

«Die An­we­sen­heit von Ka­pu­zi­nern in Hei­lig­kreuz ist erst­mals 1662 schrift­lich er­wähnt. Ein Jahr zu­vor (1661) hat­te sich im neu ge­grün­de­ten Ka­pu­zi­ner­klo­ster in Schüpf­heim die er­ste Klo­ster­fa­mi­lie kon­sti­tu­iert. Am 9. April 1753 be­schloss der Rat von Lu­zern, die Seel­sor­ge auf Hei­lig­kreuz den Ka­pu­zi­nern von Schüpf­heim zu über­tra­gen un­ter Wah­rung der Rech­te des Pfar­rers von Has­le.» (Wal­de­mar Grem­per in: Hei­lig­kreuz im Ent­le­buch. Bei­trä­ge zur Be­deu­tung von Hei­lig­kreuz als Wall­fahrts­ort und Treff­punkt. Has­le, 1994. Sei­te 45)

Nach rund 150 Jah­ren ver­schwan­den die Zi­ster­zi­en­ser­brü­der von Hei­lig­kreuz so un­auf­fäl­lig, wie sie zu­vor ge­kom­men wa­ren. Die Lu­zer­ner Ob­rig­keit, wel­che die Vog­tei­ge­walt über das Ent­le­buch aus­üb­te, ver­füg­te, dass Ka­pel­le, Brü­der­haus mit um­lie­gen­den Land und Wald fort­an durch die Pfar­rei­en der Tal­schaft zu ver­wal­ten seien.

In der Fol­ge ent­wickel­te sich Hei­lig­kreuz zum Wall­fahrts­ort, zu­mal der Kir­chen­schatz ei­ne Kreuz­re­li­quie auf­wies, die wohl von den kreuz­ver­eh­ren­den Zi­ster­zi­en­sern zu­rück­ge­las­sen wur­de. Der dem Ent­le­buch ge­hö­ren­de Be­sitz trug da­zu bei, dass sich die Leu­te nicht nur aus re­li­giö­sen, son­dern auch aus an­dern Grün­den auf Hei­lig­kreuz zu­sam­men­fan­den. Er­wähnt sei­en ins­be­son­de­re die dort ver­ein­bar­ten Po­stu­la­te der Ent­le­bu­cher 1653, die zum Bau­ern­krieg führten.

Die schon 1480 be­leg­te Hei­lig­kreuz­ka­pel­le wur­de 1593 er­wei­tert; 1753 ba­rocki­sier­te der Lu­zer­ner Bau­mei­ster Ja­kob Sin­ger das Got­tes­haus, wie es noch heu­te er­hal­ten ist. Der na­tio­nal ge­schütz­te Orts­kern mit Kir­che, Kur­haus, Hos­piz, Päch­ter­haus und Mehr­zweck­ge­bäu­de, die be­ein­druckend le­ben­dig ge­blie­be­ne Tra­di­ti­on des Wall­fah­rens so­wie der be­lieb­te Treff­punkt für Sport­ler und Tou­ri­sten brin­gen zum Aus­druck, dass sich hier wäh­rend Jahr­hun­der­ten et­was ent­wickelt hat, das ei­ne un­ge­wöhn­lich star­ke Aus­strah­lung aufweist.

Zeit, die es braucht

…für die Legende

Erst­mals ist die Le­gen­de über den Wall­fahrts­ort Hei­lig­kreuz 1692 im Druck er­schie­nen. Spä­te­re Ver­sio­nen be­rei­cher­ten das Vor­han­de­ne mit zu­sätz­li­chen Ele­men­ten, wor­an sich die Gläu­bi­gen er­bau­en moch­ten. Die Wun­der­sucht trug da­zu bei, dass die Le­gen­den zum be­lieb­te­sten Le­se­stoff wurden.

Die Hei­lig­kreuz Le­gen­de er­zählt, dass die hei­li­ge He­le­na auf dem Kal­va­ri­en­berg nach dem Kreuz Chri­sti gra­ben liess, weil ihr Sohn, Kon­stan­tin der Gros­se, dank die­sem hilf­rei­chen Zei­chen im Jahr 312 sieg­reich war. Die Echt­heits­pro­be sorg­te so­gleich für ein wei­te­res Wun­der, in­dem das wah­re Kreuz Chri­sti ei­ne To­te wie­der zum Le­ben erweckte.

Ein Sol­dat, der in Je­ru­sa­lem die Wun­der­kraft des Kreu­zes er­fah­ren hat­te, zog mit ei­nem klei­nen Stück da­von ins Abend­land zu­rück. Auf dem Heim­weg ret­te­te er dank der Re­li­quie sei­nen Be­glei­ter vor dem an­grei­fen­den Dra­chen. Zu Hau­se im fran­zö­si­schen Ar­ras an­ge­langt, ver­lang­ten die Lands­leu­te ei­nen Be­weis für die Echt­heit des an­geb­li­chen Kreuz­par­ti­kels. So wur­de das klei­ne Holz­stück­chen ei­nem un­ge­stü­men Och­sen zwi­schen die Hör­ner ge­bun­den. Da­nach kam das Tier rhein­auf­wärts bis in un­se­re Ge­gend und liess sich schliess­lich am Ort des heu­ti­gen Al­ta­res auf Hei­lig­kreuz nieder.

Das deu­te­ten die Ent­le­bu­cher als Zei­chen da­für, dass an die­ser Stel­le ei­ne Kir­che zu er­bau­en war, zu­mal sie in der Um­ge­bung ein glän­zen­des Licht und En­gels­ge­sang wahr­nah­men. In der Fol­ge sie­del­ten sich Ein­sied­ler an, die das Land kul­ti­vier­ten und da­bei «un­se­rem ge­creut­zig­ten Hey­land in from­mem Ein­sied­ler Le­ben bey­ein­an­der gantz gott­se­lig ge­die­net ha­ben.» So sei, be­merkt die Le­gen­de, im Ver­lauf der Zeit der Wall­fahrts­ort Hei­lig­kreuz ent­stan­den, wo bis­her vie­le Wun­der­zei­chen ge­sche­hen seien.

Wen wun­derts, dass ei­ne sol­che Le­gen­de dem from­men Volk das Ent­ste­hen des Wall­fahrts­or­tes ver­ständ­li­cher er­klär­te als hi­sto­ri­sche Fak­ten, die längst ver­ges­sen waren?